
The Who – Live at the Oval 1971
Im September 1971 standen The Who auf einem Höhepunkt ihrer Kreativität. Nur wenige Wochen nach der Veröffentlichung ihres bahnbrechenden Albums Who’s Next spielten sie ein Benefizkonzert vor über 35.000 Zuschauer:innen im Londoner Oval Cricket Ground – ein Gig, der jahrzehntelang nur als schwaches Bootleg kursierte. Mit Live at the Oval 1971 erscheint dieses explosive Konzert nun endlich in offizieller, neu abgemischter Fassung – und zeigt eindrucksvoll, warum The Who damals zu den aufregendsten Livebands der Welt zählten.
Schon mit den ersten Takten wird klar: Diese Aufnahme fängt nicht nur ein Konzert ein, sondern ein Zeitdokument. Die Band ist in Topform, die Spannung zwischen Präzision und Chaos spürbar. Roger Daltrey singt mit geballter Kraft, Pete Townshend liefert wütende Riffs und Windmühlenakkorde am laufenden Band, John Entwistle hält das rhythmische Fundament unerschütterlich – und Keith Moon spielt, als gäbe es kein Morgen.
Die Setlist ist ein Geschenk für Fans: Neben Klassikern wie „My Generation“, „Pinball Wizard“ und „Magic Bus“ sind auch fünf Songs vom damals brandneuen Who’s Next dabei – darunter eine wuchtige Version von „Bargain“ und ein fast zehnminütiges „Won’t Get Fooled Again“, das mit seiner Energie und Wucht den Geist der Band auf dem Zenit einfängt. Der Sound wurde von den Original-Mehrspuraufnahmen restauriert und liefert ein klares, druckvolles Hörerlebnis – weit entfernt von den rauschenden Mitschnitten der Vergangenheit.
Besonders bemerkenswert ist das Finale: Der ekstatische Abriss von „Naked Eye“ und „Magic Bus“ endet – ganz theatralisch – mit der typischen Zerstörungsorgie von Townshend und Moon. Es ist nicht einfach nur Show – es ist ein Ventil, ein Akt purer Rock-Entladung, wie ihn nur wenige Bands so inszenieren konnten.
Live at the Oval 1971 ist mehr als nur ein Konzertalbum. Es ist ein Stück Rockgeschichte, das endlich in der Qualität gewürdigt wird, die es verdient. Für langjährige Who-Fans eine längst überfällige Veröffentlichung, für Neuentdecker ein idealer Einstieg in die rohe Magie der frühen 70er-Jahre.
Text: Dennis Kresse
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