Mr. Smith!

Brad Mehldau – Ride into the Sun

Mit Ride Into the Sun legt Brad Mehldau ein Album vor, das weit mehr ist als eine Hommage an den viel zu früh verstorbenen Songwriter Elliott Smith. Der Pianist nimmt sich dessen fragile, melancholische Stücke vor und übersetzt sie in seine eigene Klangsprache – mal intim am Klavier, mal getragen von subtilen Streicherarrangements und kammermusikalischen Farben. Unterstützt von hochkarätigen Gästen entsteht eine dichte Atmosphäre, in der Smiths leise Poesie und Mehldaus improvisatorische Freiheit eine berührende Symbiose eingehen.

Zehn Songs stammen direkt aus dem Werk Smiths, ergänzt durch vier Mehldau-Kompositionen, die so wirken, als hätten sie aus denselben emotionalen Quellen geschöpft. Hinzu kommen Interpretationen von Nick Drakes „Sunday“ und Big Stars „Thirteen“, die den Bogen zu den Einflüssen Smiths schlagen und dem Album zusätzliche Tiefe verleihen. Besonders eindrucksvoll ist, wie Mehldau in seinen Improvisationen die Harmonien dehnt, ohne die Essenz der Stücke zu verlieren. So bleibt die Zerbrechlichkeit erhalten, während zugleich neue Räume eröffnet werden.

Das Ergebnis ist ein vielschichtiges Werk, das zwischen Intimität und orchestraler Größe pendelt. Stücke wie „Tomorrow Tomorrow“ oder „Better Be Quiet Now“ gewinnen durch Mehldaus Handschrift eine neue Dimension, ohne ihre ursprüngliche Verletzlichkeit einzubüßen. Man spürt den Respekt gegenüber dem Original ebenso wie die Lust an der kreativen Weiterentwicklung.

Ride Into the Sun ist kein simples Tribute-Album, sondern ein tief empfundenes musikalisches Gespräch zwischen zwei Künstlerseelen. Es vereint Melancholie und Hoffnung, Dunkelheit und Trost – und zeigt einmal mehr Brad Mehldaus Fähigkeit, Grenzen zwischen Jazz, Songwriting und Klassik mühelos zu überschreiten.

Ein leises, aber kraftvolles Meisterwerk.

Text: Dennis Kresse

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