„I Did It My Way“ in der Jahrhunderthalle Bochum!

Ein Abend zwischen Zerbrechlichkeit und Stärke

Mit I Did It My Way eröffnet die Ruhrtriennale in der Bochumer Jahrhunderthalle eine Produktion von Ivo van Hove, die Frank Sinatra und Nina Simone gegenüberstellt – verkörpert von Lars Eidinger und Larissa Sirah Herden. Während die Feuilletons bislang vor allem konzeptuelle Schwächen betonen, entfaltete der Abend vor Ort eine überraschend stimmige Wirkung.

Die Akustik als Erlebnis

Schon beim ersten Einsatz der Bigband war klar: Die Jahrhunderthalle ist an diesem Abend mehr als nur Spielort, sie ist Resonanzkörper. Jeder Ton war präsent, klar und vibrierend. Die Instrumente füllten den Raum, ohne ihn zu überdecken. Wer musikaffin ist, konnte die Darbietung physisch spüren – ein Erlebnis, das man in großen Hallen nicht selbstverständlich erwarten darf. Zwei Stimmen, zwei Welten Die große Stärke des Abends lag in der Gegensätzlichkeit seiner Protagonisten. Larissa Sirah Herden sang mit einer warmen, kraftvollen Stimme, die zugleich verletzlich und bestimmt wirkt. Sie war Zentrum und Kraftquelle des Abends, eine Nina Simone voller Ausstrahlung.

Lars Eidinger dagegen spielte seinen Sinatra bewusst gebrochen, zurückgenommen, fast depressiv. Wer ihn mit den Maßstäben eines Sängers messen wollte, musstezwangsläufig enttäuscht sein. Doch gerade in seiner Zurückhaltung lag eine schauspielerische Konsequenz: Er gab nicht den strahlenden Patriarchen, sondern einen müden, fragilen Mann. Selbst sein deutscher Akzent wirkte so weniger als Schwäche, sondern als ehrliches Bekenntnis zur eigenen Fremdheit in dieser Rolle.

Dramaturgische Brüche Nicht alles fügte sich nahtlos. Die Einspielungen zur afroamerikanischen Geschichte wirkten in ihrer Plötzlichkeit eher aufgesetzt, als wolle man der Inszenierung nachträglich mehr Gewicht verleihen. Stärker waren dagegen die Projektionen an der Hausfassade:

Räume, die je nach Figur anders gefüllt waren, ließen Einsamkeit, Fremdheit und Distanz sichtbar werden. Ergänzt durch die Doubles der beiden Hauptfiguren entstand eine zusätzliche, tänzerische Ebene, die dem Abend Lebendigkeit verlieh.

Das Publikum widerspricht den Kritikern

Während Kritiken in den großen Blättern von oberflächlichem Konzepttheater sprechen,erlebte das Publikum in Bochum etwas anderes. Schon im Verlauf des Abends steigerte sich die Zustimmung, das Klatschen wurde immer begeisterter. Am Ende gab es lange stehende Ovationen – keine höfliche Geste, sondern ein Zeichen echter Begeisterung. Man konnte den Gesichtern der Künstler ansehen, dass sie sich über diese Resonanz freuten.

Fazit

I Did It My Way ist kein tiefgründiges Musikdrama. Aber es ist ein atmosphärisch starker Konzerttheaterabend, getragen von einer grandiosen Bigband, einer Sängerin mit leuchtender Stimme und einem Schauspieler, der seine Rolle nicht überstrahlt, sondern bewusst zerbrechlich macht. Gerade in dieser Spannung zwischen Stärke und Schwäche, Klarheit und Melancholie, entfaltet die Inszenierung ihre Wirkung.Wer nach psychologischer Tiefe sucht, mag enttäuscht sein. Wer aber Musik, Atmosphäre und die große Geste im Raum erleben will, konnte an diesem Abend in der
Jahrhunderthalle Gänsehaut bekommen.

Text: Esther Himpel
Credits: Jan Versweyfeld

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