
Die Welt ist am Arsch und FRAUPAUL bringen ihr Debütalbum raus: HOL MIR DIE STERNE ZURÜCK. Sowohl Album als auch Titel sind eine echte Aufforderung, fast schon ein Vorwurf. “Ich will meinen Himmel wieder haben!”, sagt Lisa, Frontfrau von FRAUPAUL. “Ich will wieder eine Orientierung haben, denn wenn ich hoch gucke, dann ist es dunkel.” STREICHHOLZ, der Opener des Albums, bringt das auf den Punkt:
Da reicht schon / Ein Streichholz / Und es brennt lichterloh
Siegen Hass und Terror / Bricht das alles jetzt zusamm / Ich hab Angst
“Wir sind in so einer friedlichen Welt groß geworden und zum ersten Mal in meinem Leben denken wir über Krieg nach. Das macht mich so wütend und hilflos und ich verstehe es nicht.” Genau diese Wut, diese Hilflosigkeit und diese Sehnsucht nach Hoffnung schreit einem das Album entgegen.
“Was diese Band so besonders macht, ist ihre charmante und direkte Art, schwierige und teilweise tabuisierte
gesellschaftliche Themen zu vermitteln, wie es kaum andere können. Es ist absolut großartig, dass es FRAUPAUL gibt und uns auch über die unbequemen Themen des Lebens zum Nachdenken bringen. Diese spezielle Mischung aus Ernsthaftigkeit und Humor kennen die Hörer*innen vermutlich auch aus den Texten des großen blonden Mannes aus der angeblich besten Band der Welt.” Musik unterm Radar.
Lisa, Mary und Linda holen aus ihrer einfachen Dreierbesetzung das Maximum heraus. Breite Gitarrenwände, starke Rhythmik, Fokus auf den Gesang. Ausgefeilte Backing-Gesänge machen die Produktion breiter, leichte Synthieanklänge und interessante Sounds wie Rauschen, Kratzen, Fiepen ergänzen die Songs, schaffen
Atmosphäre. “Wir haben auf diesem Album praktisch eine Spielwiese gehabt, weil unser Produzent Olman V.
Wiebe (Montreal, KMPFSPRT, ZSK, Smile and Burn) mit uns in die sehr viel größeren Chefrock Studios in Hamburg umgezogen ist. Und dort konnten wir alles, was an Equipment da war, benutzen. Wir haben zum Beispiel einen total komplizierten Split-Aufbau für die Gitarren gemacht, hatten eine Bassbox, die größer als Mary war und konnten uns da einfach austoben”, verrät Lisa. So ist der unique Sound von FRAUPAUL mit viel Liebe zum Detail recordet und produziert worden:
“Eine sensationelle Kombination aus Energie, Melodie und Humor.” Musik unterm Radar
„Wir schreiben nicht Songs, um das Album vollzukriegen, sondern um das mitzuteilen, was uns wichtig
ist.” FRAUPAUL
So ist auch MEHR VON DEMSELBEN ein äußerst politischer Song, der zum Reflektieren einlädt. Funfact: Das ist eigentlich einer der ältesten Songs von FRAUPAUL, der jetzt veröffentlicht, aktueller nicht sein könnte:
Wieder ein Land in Brand / Da stehn wir Hand in Hand / Posten, dass uns das betrifft
Ich frag mich, was das nützt / Wird so ein Kind beschützt / Vor den Gefahren der Macht
So eindringlich der Text – so eindringlich das Arrangement: Der Song fängt leicht, fast verspielt an und bricht dann wie eine Welle über einen herein. Neben dem im Punkrock ungewöhnlichen ¾-Takt gipfelt der Song in einem fulminanten Gitarrensolo – FRAUPAUL brechen hier mit Erwartungen und übertreten bewusst Genregrenzen.
So auch bei STERNE, eigentlich ein untypischer FRAUPAUL-Song: “Der hat so eine eigene Dramatik und auch einen anderen Takt. Das Glockenspiel in der Mitte ist so…harmlos. Und dann kommt am Ende der Bridge dieses völlig genervte ‚wrähh!‘“ – Lisa
Ich finde, ich hab es verdient / Eine Antwort zu kriegen / Hol mir die Sterne zurück
FRAUPAUL spiegeln, ertappen, bringen zum Schmunzeln, führen Dialog und teilen eine emotionale Reife in
sämtlichen Lebenslagen – mal empathisch, mal wütend:
“Es gibt ja Songs, die schreibt man für andere Leute und es gibt Songs, die schreibt man für sich selber. Und BURN OUT hab ich uns selber geschrieben, weil sowohl Mary als auch ich einen Burnout hinter uns haben und wissen, wie sich das anfühlt. Da ist niemand, der dir sagt, tritt mal auf die Bremse, Mensch, du machst zu viel. Man muss sich selber da rausziehen und sich auch klar machen: Ein Burnout muss man sich leisten, denn es dauert, da wieder rauszukommen”, erzählt Lisa, die Writerin der Band.
Wir ham keine Zeit / Für ein Burn Out
Wir ham tausend To-Dos / Wir ham so viel zu tun
Wissen weder ein noch aus
Der Song baut sich musikalisch interessanterweise genau so auf, wie auch ein Burn Out. “Du merkst es am Anfang gar nicht, es schleicht sich so ein und dann, wenn es eigentlich schon zu spät ist, bricht es dann so richtig aus!“
Wie viel Spannung sich da entlädt, zeigt sich auch bei den Liveshows von FRAUPAUL, wenn das Publikum im Refrain laut mitschreit: “Wir ham keine Zeit für ein Burn Out!” Völlige Eskalation. “Das Album ist auch eine
Einladung, gemeinsam die Wut und den Frust durch Mitsingen und Mittanzen rauszulassen”, so Mary. “Denn
manchmal ist es genau das, was man in dem Moment braucht.”
FRAUPAUL live zu erleben ist Dialog, ist Verbundenheit. Selbst bei Songs wie FAMILY GUY, die so ernst sind, dass es eigentlich weh tut, machen FRAUPAUL mit ihrem Publikum Stopptanz (sic!) “Ich spiele – ihr tanzt, ich stoppe, ihr bleibt stehen!” Und das klappt! “FRAUPAUL hatten uns bestens im Griff.” berichtet Artnoir.ch nach einem Konzert. Oder wie FRAUPAUL es formulieren würden: “Es gibt Leute die spielen Konzerte, wir spielen Shows!”
Nur wenige Livebands erzeugen bei so viel Tiefgang so viel Spaß. FRAUPAUL live sind ein Must-see!
„Aber Hallo!” als Tourname nur folgerichtig: “Wer schon mal das Vergnügen hatte, ein Konzert von FRAUPAUL zu erleben, der weiß: Diese Band ist eine Punkrock-Maschine! Mit ihrer rotzigen Attitüde und ihrer mitreißenden Energie verwandeln sie jede Bühne in einen Ort, an dem die Zeit stillsteht. Absolute Spielfreude, klassische Rockstar-Moves und einen direkten Draht zum Publikum – die Zuschauer*innen sind voll dabei, es wird nachdenklich ruhig und kurze Zeit später wieder ausgelassen getanzt.” – Musik unterm Radar
Und genau das zieht das Publikum, völlig unabhängig vom Alter, in den Bann. “Ich erlebe oft, dass Leute mit ihren Eltern zu unseren Shows kommen. Und da sind dann auch welche dabei, die schon ein paar Sachen im Leben durchgemacht haben. Ich glaube, dass uns das auch auf dem Album ganz gut gelungen ist, da diese
Elterngeneration abzuholen oder auch in Frage zu stellen.” Wie zum Beispiel bei FREIGEIST, ein Song mit
Perspektivwechsel. Er beschreibt zuerst die Situation einer Tochter und geht dann über in die Perspektive der
Mutter:
Sie glaubt, man merkt es nicht / Doch sie riecht nach Rauch
Du lügst mir ins Gesicht / Hoffentlich passt du auf dich auf
Den Schmerz beider Positionen hört man deutlich heraus, hier erstmalig auch mit Streichern untermalt. Dazu
kommen im Refrain geshoutete Backing-Vocals, die an Diskussionen zwischen Teenies und Eltern erinnern, wo auch mal Türen geknallt werden und man durch die Wohnung brüllt. “Ein Teenager denkt ja immer, die Eltern sind doof, die nerven, die sollen mich in Ruhe lassen. Und die Eltern denken, was mache ich falsch, mein Kind nimmt Drogen, ist unerreichbar. Und ich finde, wenn man dann ein bisschen älter ist, dann versteht man diese Sorgen. Also eigentlich ist FREIGEIST ein totaler Versöhnungssong. Wie man schlechte Erfahrungen überwindet und wieder aufeinander zugehen lernt,” erzählt Lisa.
So auch bei KÜSSEN, ein Song, der die Schwierigkeit beschreibt, sich nach Fehlschlägen auf eine neue Beziehung einzulassen:
Mir fehlt einfach das Vertraun / Zu oft übers Ohr gehaun
Doch du zeigst mir, wie es geht / Wenn man fest auf dem Boden steht
Komm wir küssen uns / Wir sind frei
Leg dich in mein Arm / Es ist schön bei dir zu sein
KÜSSEN fängt musikalisch auch ganz zärtlich an und geht dann im Refrain total auf – wirklich wie ein erster Kuss, um sich dann richtig fallen zu lassen. Mary: “Das ist mein Lieblingssong und ein echter Publikumssong. Ich sehe den live und bei Festivals, wie die Leute voll abgehen werden.” Linda: “Eine akustische Umarmung an diejenigen, die es brauchen.”
HOL MIR DIE STERNE ZURÜCK – das sind elf Songs, mit denen FRAUPAUL dir sagen:
Die Welt ist am Arsch, aber du bist nicht allein.
FRAUPAUL im Gespräch mit Saskia Rienth-Hinkelmann
Februar 2025


