Feucht, frech, fantastisch – Wet Leg bleiben seltsam und liefern ihr bisher stärkstes Album

Wet Leg – Moisturizer

Nach dem durchgeknallten Debüt irgendwo zwischen Indie-Pop und dadaistischer Karaoke-Therapie legen Wet Leg mit Moisturizer ihr zweites Album vor – und treffen erneut mitten ins Herz einer Generation, die gleichzeitig alles weiß, nichts fühlt und trotzdem tanzen will.

Der Albumtitel? Natürlich doppeldeutig. Moisturizer klingt nach Hautcreme, aber auch nach emotionaler Glitschigkeit – irgendwo zwischen Körperkontakt, Kosmetik und Kontrollverlust. Und genau dazwischen bewegt sich auch das Album: zwischen Klangexperiment, Lebensironie und überraschend viel Tiefe.

Schon der Opener „CPR“ macht klar: Wet Leg haben Lust auf mehr Sound – Wave-Beats, düstere Gitarren, verzerrte Vocals. Ein Song wie ein nächtlicher Strandspaziergang mit einem alten Gameboy und gebrochenem Herzen. Ein minimalistischer Synth-Banger mit Ohrwurmpotenzial und einem Refrain, der irgendwo zwischen Beauty-Tutorial und Kapitalismuskritik landet:

Lustiger Unsinn oder cleverer Kommentar? Beides. Denn Wet Leg beherrschen das Spiel mit Ironie und Ernsthaftigkeit besser denn je. Manchmal werden sie sogar richtig melancholisch.

Die gesamte Platte wirkt wie ein Tagebuch aus emotionalen Kurzschlüssen, kuriosen Beobachtungen und tanzbaren Nervenzusammenbrüchen. Es zeigt sich, dass die Band aus der Isle of Wight ihr Talent für seltsame Songtitel nicht verloren hat – und dabei textlich immer wieder kleine Perlen streut. Zwischen Sarkasmus, Sex und Selbstzweifel liegt hier ein sehr britischer Humor mit feministischer Schlagseite und erstaunlich viel Gefühl.

Auch musikalisch trauen sich Wet Leg mehr: elektronische Experimente, schrägere Songstrukturen, aber immer mit dieser typisch entspannten „Was zur Hölle, warum nicht?“-Haltung. Alles wirkt spontan – und ist dabei erschreckend gut gemacht.

Moisturizer ist ein feuchter Pop-Traum für alle, die keine Angst vor schrägen Sounds, cleveren Texten und ironischer Selbstbetrachtung haben. Wet Leg sind mit diesem Album endgültig aus der Indie-Nische raus – und gleichzeitig genau dort geblieben, wo es am schönsten ist: zwischen Genie und Wahnsinn.

Text: Dennis Kresse

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