Doppelpack: The toten Crackhuren im Kofferraum veröffentlichen „Zurück in der Gosse“ / „Living the Dream“!

Die Gang mit dem familienunfreundlichsten Namen im Popbetrieb veröffentlicht am 27.08.21 gleich zwei Singles auf einen Schlag: „Zurück in der Gosse“ / „Living the Dream“, als nächste Vorboten zu ihrem vierten Album „Gefühle“.

„Scheiss auf deine RoliMoliGucciMucciRarriAMG
Ich hab noch nen’ Pfandbong und
nen’ 5er in meinem Portemonnaie“
(Aus „Zurück in der Gosse“)

Arm aber sexy, das war mal ein Ausspruch des ehemaligen Bürgermeisters zu Berlin, Klaus Wowereit. Dieser Slogan von 2003 besaß eine große Strahlkraft hinsichtlich des Berlins des neuen Jahrtausends, war aber letztlich bloß Stadtmarketing. Stadtmarketing, das dir durch die Hintertür vermitteln wollte: Der Sozialstaat befindet sich im Rückbau, Du bist auf dich selbst gestellt, die Ära von Hartz4 beginnt – aber hey, dafür nennt dich die SPD immerhin sexy. Ziemlich gruselig.

Da machen sich The toten Crackhuren im Kofferraum den Soundtrack zum geilen Leben in prekären Verhältnissen lieber selbst. Die Doppelsingle „Zurück in der Gosse / Living the Dream“ist eine Liebeserklärung ans eigene Milieu und was daraus erwachsen kann – auch ohne geerbte Wohnungen und einem kleinen Aktienportfolio (Festgeld gibt ja kaum noch Zinsen!).

Songwriterin Luise Fuckface a.k.a. Lulu lebt selbst in der Platte in Ost-Berlin. Die Prekariats-Lyrik ihrer Band (außer ihr noch Doreen, Kristin, Ilay) ist keine schicke Bürgerkinder-Kolportage, sondern findet sich beheimatet auf 28 Quadratmetern im 7. Stock. Beinah wäre das neue, das vierte Album der Crackhuren nach dem Plattenbau benannt worden, die Wahl fiel dann aber doch auf „Gefühle“. Passt auch.

Auf „Zurück in der Gosse“ scheinen Dich manche Keyboard-Passagen in die Achtziger zu schieben, man ist fast versucht, mal „Part Time Lover“ von Stevie Wonder drüber zu singen (klappt nicht wirklich), oder ist es doch eher, als würde Billie Eilish verhaltensauffälligen Melodicore machen? Genauso gut könnte man an einen Alkopop-affinen Hybrid aus Zugezogen Maskulin und Megan Thee Stallion denken. Das Stück schlägt jedenfalls mit Gesang und Text die Brücke zum Hier und Jetzt, mit den ganz zentralen Zeilen: „Was bringt dir all die Kohle / wenn Du kein Herz und Rückgrat hast?“

„Living the Dream in Ost-Berlin”ist ähnlich atmosphärisch angelegt. Ein Stream of Consciousness beschreibt das Leben vor dem Fenster, es ist nicht alles schön, was es zu sehen gibt, die Story konstatiert dann aber auch wieder „alles geile Leude“. Leude mit d – gesprochen wie geschrieben. Was will dein Deutschlehrer dagegen machen? The TCHIK haben ihren eigenen Style, der musikalisch hier mitunter sogar etwas von Wave und frühen Cure („Three Imaginary Boys“) besitzt.

Das hier ist dabei keine sentimentale Sozialromantik, sondern es ist viel eher sehr präzise Asozialromantik – und die haben die Crackhuren eben einfach besser drauf als jeder andere.

LIVE „Gefühlefühlefühle“ – Tour ’22

02.03.22 Hamburg, Hafenklang
03.03.22 Hannover, Béi Chéz Heinz
04.03.22 Bochum, Trompete
05.03.22 Köln, Yuca
06.03.22 Wiesbaden, Schlachthaus / Kesselhaus
08.03.22 Jena, Rosenkeller
09.03.22 Dresden, Chemiefabrik
10.03.22 Stuttgart, Im Wizemann
11.03.22 Freiburg, Slow Club
12.03.22 Nürnberg, Club Stereo
13.03.22 München, Backstage Halle
16.03.22 Berlin, Privatclub

 

Text: Linus Volkmann

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