Die Klasse von 1995!

Pulp – „Different Class“ (30th Anniversary Edition)

Dreißig Jahre nach seiner Veröffentlichung ist Different Class noch immer ein Album, das nicht einfach gehört, sondern erlebt wird. Mit der 30th Anniversary Edition kehrt Pulps Meisterwerk zurück – und zeigt eindrucksvoll, dass wahrer Pop zeitlos bleibt. Schon beim ersten Hören wird klar: Hier geht es nicht nur um Britpop-Nostalgie, sondern um ein Werk, das gesellschaftliche Beobachtung, Ironie und große Melodien zu einem Gesamtkunstwerk verbindet.

Jarvis Cocker und seine Band waren nie bloß Teil des Britpop-Hypes – sie waren dessen schärfster Kommentator. Common People klingt auch heute wie ein gesellschaftlicher Seismograf, der die Klassenrealität seziert und dabei zugleich zur ekstatischen Tanzfläche ruft. Disco 2000 strahlt immer noch bittersüße Euphorie aus, während Songs wie Mis-Shapes und Something Changed zeigen, wie elegant Pulp zwischen Zynismus, Sehnsucht und Humor balancieren.

Klanglich bringt die Anniversary-Neuauflage frische Luft in das ohnehin brillante Material. Die Details treten klarer hervor: die nervös funkelnden Gitarren, die warmen Synth-Schichten, die subtile Dramaturgie in Cockers Stimme. Nichts am Glanz der alten Aufnahmen geht verloren – im Gegenteil, man fühlt sich noch tiefer hineingezogen in dieses pralle, urbane Universum aus Liebesdramen, Party-Schweiß, gesellschaftlicher Schärfe und bittersüßen Hoffnungen.

Different Class bleibt ein Album über Zugehörigkeit und Ausgrenzung, über Sehnsüchte und Pop als Gegenmittel zum Alltag. Es besitzt Witz, Haltung und eine emotionale Ehrlichkeit, die auch im Jahr 2025 nichts an Relevanz verloren hat. Diese Jubiläumsausgabe beweist: Pulp waren nie bloß Soundtrack einer Ära – sie waren deren Spiegel, deren Kommentar und ihr klügster, schärfster Popmoment.

Ein Pflichtkauf für Fans und ein glänzender Einstieg für alle, die entdecken wollen, warum manche Alben nicht altern – sie reifen. Pulp waren anders als alle anderen. Und Different Class bleibt genau das: in einer Klasse für sich.

Text: Dennis Kresse

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