Auf ein Glas Wasser mit…

– Interview mit Moritz Neumeier –

Vor seinem Halbfinal Auftritt beim Prix Pantheon in Bonn – bei dem er sich auch für das Finale qualifizieren konnte – hat sich Moritz Neumeier Zeit genommen mit uns zu sprechen.

SC: Hallo Moritz, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst.
Worüber ich mit Dir reden wollte ist der „traurige Clown“. In Deinen Programmen versteckt sich der ja immer, in „Kein Scheiß Regenbogen“ sind die letzten 5 Minuten total entwaffnend offen. Gleichzeitig kommt dann immer wieder Dein „ich mach ja nur Witze“. Relativierst Du Deine Offenheit damit?

Moritz: Ich relativiere das vor allem für mich. Ich erzähl ja nur Witze. Klar man kann auch darüber nachdenken, aber musst Du ja nicht. Du kannst Dir das anhören, lachen und gut ist.

SC: Und diese Relativierung kommt dann vom traurigen Clown, der nicht Ernst genommen werden will?

M: Also natürlich macht mir das Angst Ernst genommen zu werden, weil das ist so eine Verantwortung die ich nicht haben will. Ich hab die Verantwortung mit meinem Kind und das reicht. Natürlich schreibt dann auch mal jemand nach einer „Zigarette“: ‚Oh danke, jetzt weiß ich endlich wie ich darüber nachdenken soll‘, aber das will ich nicht. Hör auf damit, denk Dir was eigenes. Bei der Menge an Infos die es gibt, sind das ja nur Witze was ich erzähle, es ist vielleicht ein Zugang zu einem Thema, aber sucht Euch noch andere Quellen. Als trauriger Clown hat man genug eigene Probleme, da braucht man nicht noch die Probleme der anderen.

SC: ist die Relativierung vielleicht auch ein Versuch Menschen wieder einzusammeln, die Du zwischendurch verloren hast, weil sie Deine Meinung nicht teilen?

M: Ne, das ist mir nicht so wichtig. Wenn ich damit anfange, dann müsste ich ja alles umschreiben, das wäre zu anstrengend. Aber einige Sachen muss man halt als Witz darstellen, sonst darf man das nicht sagen. Auf „Er gehört erschossen“ muss ein “Haha“ kommen, sonst droht eine Anzeige. Wenn ich Leute verprellen, dann muss ich die auch nicht wieder einfangen, das ist nicht meine Aufgabe. Ich mach das was ich will und ich merke, dass gefällt auch vielen Leuten. Und denen den es nicht gefällt, ach dann schaut Euch doch was anderes an.

SC: OK, es ist nicht Deine Aufgabe Leute wieder einzusammeln, aber relativiert der traurige Clown nicht auch weil er geliebt werden will?

M: Oha, mhh, ja allgemein ist mir das schon wichtig, aber nicht bei Leuten die ich verprellt habe. Auf der Bühne, da sende ich was aus und die Leute empfangen das und entweder die mögen das oder ich habe sie verloren. Aber das musste ich auch erst lernen. Am Anfang war das so, da habe ich mir Gedanken gemacht ‚Oh Gott vielleicht hat er Recht, vielleicht muss ich alles umschreiben‘. Aber Inzwischen habe ich gemerkt, oh da sind ganz viele den gefällt das und ein zwei finden das Kacke, mach Dir nicht soviel Gedanken.

SC: Wie lange bist Du jetzt auf der Bühne?

M: Auf der Bühne bin ich seit 9 Jahren, Standup mach ich seit drei Jahren.

SC: Standup ist was amerikanisches oder besser anglo-amerikanisch. Wen würdest Du als Vorbilder nennen.

M: Vorbilder ist so ein blöder Begriff, aber ich hab angefangen wegen zwei oder drei Standups. Am Anfang, da hab ich mich umgesehen, Kabarett und Comedy und was es so in Deutschland gibt, aber dann habe ich DVDs von Louis C.K. oder Bill Burr gesehen, Leute die ganz normal auf der Bühne stehen und von sich erzählen und da hab ich gedacht:’Ah, so kann man es auch machen, das geht doch auch in Deutschland‘.

SC: OK, man merkt, dass Du den gleichen Ansatz hast, von Zuhause oder sich selber erzählen, aber Deine Inhalte sind andere.

M: Genau, ich will die nicht kopieren, aber deren Art, das ist anders als wir das hier kennen, authentischer, das will ich auf die Bühne bringen. Ganz am Anfang hab ich vielleicht mal eine Idee für einen Witz übernommen, aber in der Geschichte eine andere Abzweigung genommen oder so und dann wars was anderes, dann wurde es mein Witz.

SC: Wir schwer ist es ein neues Programm zu schreiben?

M: Das ist für mich gar nicht so schwer. Ich schreib ja eigentlich kein Programm, ich probiere in kurzen Standups das ganze Jahr über was aus. Ich hab da meine Bühne in Hamburg, da probiere ich einmal im Monat 30 Minuten was aus und was gut ankommt, das nehme ich dann ins Programm auf. Jetzt grad hab ich seit ein paar Wochen nichts mehr gutes gehabt, da wird man ein bisschen panisch, aber das wird schon.

SC: Das neue Programm ist was Vertrautes aber mit neuem Inhalt. Man kennt Dich jetzt etwas besser, aber die Themen sind anders.

M: Ja, und das kommt eben, weil man von sich selber erzählt. Man hat dann in der Zwischenzeit wieder neues erlebt und das kann man dann auf die Bühne bringen. Und wenn man zu wenig erlebt hat, dann muss man einen weitere Ebene von sich frei legen.

SC: Aber am Ende ist das auf der Bühne dann doch ein Kunstfigur?

M: Klar, bei mir genauso wie bei den amerikanischen Standups. Aber ich habe mir vorgenommen immer mehr von mir selber auf die Bühne zu bringen.

SC: Weil Du dann authentischer ist oder weil Du Dich dann auf der Bühne wohler fühlst?

M: Weil es mein Anspruch ist und ich mich dadurch auf der Bühne besser fühle. Es sind auch nicht mehr so sehr die Pointen oder wie ich die Pointen erzähle, sondern ich selber. Das ist mein Anspruch, von mir selber zu erzählen, nicht von anderen.

SC: Aber man könnte ja auch einfach, als Ich-Erzähler irgendwelche Geschichten erzählen, die man als Erlebtes ausgibt.

M: ich glaube, das merkt man aber ganz schnell, da erzählt jemand was, was ihn nichts angeht und dann will ich das auch nicht hören, dann geht das auch mich nichts an, das ist nicht mein Anspruch. Ich fühl mich wohler auf der Bühne, wenn ich da stehe so wie ich bin.

SC: Aber nach dem Programm direkt raus und dann eigentlich lieber nicht vorne hinsetzen und mit den Leuten reden?

M: Doch, so ne halbe Stunde oder so ist das gut, weil man dann auch das Loch in das man fällt so ein bisschen umgehen kann. Aber oft spätestens so nach ner Stunde , dann kann ich auch nicht mehr und dann kommt auch die Leere. Die Leere kann dann meine Familie auffangen, wenn ich nicht allein im Hotelzimmer sitze.

SC: Wie klappt denn das jetzt mit dem touren, Du erzählst ja, dass Deine Frau jetzt studiert?

M: Ich hab mir ein Limit gesetzt, nur die Hälfte des Monats unterwegs zu sein, klappt nicht ganz, wird aber besser. Und das können wir dann so einrichten, dass ich an ihren Uni Tagen Zuhause bin. Aber es ist schwer, vor allem das weg fahren. Früher war das nicht so, aber heute lässt man was da, jetzt habe ich ein Zuhause.

SC: Das merkt man auch am neuen Programm. In „Kein Scheiß Regenbogen“ fing das schon an, aber jetzt hat Dich das Thema Familie so richtig gekapert.

M: Ja, aber im Moment bin ich ja noch mehr so sarkastisch meinem Sohn gegenüber, für das nächste Programm sammele ich, was das alles mit mir macht. Familie, mein Sohn, wie mich das verändert hat. Das muss ich mal irgendwie lustig hinkriegen und nicht nur panisch und verängstigt, aber das wird. In den ersten Programmen, da waren halt harte Witze und Geschichten und jetzt mit dem Kind, da wird es immer persönlicher.

SC: bei Deinem Auftritt in Köln war ein sehr gemischtes Publikum. Man würde denken, dass Du ein jüngeres Publikum hast, aber da waren fast alle Altersklassen vertreten.

M: Da bin ich auch sehr dankbar. Ich freu mich über jeden der kommt, aber nur junges Publikum ist auch nicht gut, die haben noch nicht so viel Lebenserfahrung. Das merkt man, da wird zwar gelacht, aber die Reaktionen sind schon anders. Aber andersrum merkt man auch, wenn die jungen fehlen.

SC: Zum Schluss müssen wir noch die Frage klären, wie Du mit Deinem Video-Blog bei Zeit Online gelandet bist?

M: Mein Agent hat mich irgendwann los geschickt: ‚Du machst jetzt was auf Facebook und so, jeden Montag ein Video, da rauchst Du eine und erzählst irgendwas und das ganze nennen wir eine „Auf ein Zigarette mit Moritz Neumeier“‘ und das haben wir dann gemacht. Und irgendwann hat dann die Zeit bei uns angerufen, ob wir denn wohl wegen des Titels bei ihnen um Genehmigung gefragt hätten (In der Zeit gab es eine Interview-Reihe mit Altkanzler und Zeit Herausgeber Helmut Schmidt unter dem Titel „Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt“). Und da haben wir so zurück gefragt, ab wir das echt hätten machen müssen? Ja, hätten wir, aber die waren da recht locker und haben gefragt ob sie denn dann die Videos auf Zeit.de nutzen dürften. Und plötzlich wird der Video Blog jede Woche auch auf Zeit.de veröffentlicht.

SC: Moritz, vielen Dank und viel Erfolg beim Prix Pantheon

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