DAVID BYRNE – „WHO IS THE SKY?“

Der ehemalige Talking-Heads-Sänger David Byrne veröffentlicht im September sein neues Album. Der Künstler, der u.a. mit Grammy, Tony und Oscar ausgezeichnet wurde, hat sich für „Who Is The Sky?“ mit Produzent Kid Harpoon (Harry Styles, Florence + the Machine) und dem 15-köpfigen Ghost Train Orchestra zusammengetan, das er bei deren Arbeit zu Ehren des New Yorker Musikers und Poeten Moondog kennenlernte.

Nachdem 2023 die „American Utopia“-Phase samt Album, Tour, Broadway-Show und Spike-Lee-Film langsam dem Ende entgegenging, begann Byrne mit ersten Notizen zu neuer Musik. In den vorangegangenen, turbulenten drei Jahren „habe ich wirklich viel gekocht – vor allem mexikanisch und indisch – und viel, viel gezeichnet“, so Byrne, der in dieser Zeit auch damit begann, Textideen für mögliche neue Songs zu sammeln. „Ich habe festgestellt, dass es einfacher ist, anzufangen, wenn man schon ein wenig was da hat – und das war dann auch bald schon der Fall. So entstanden rudimentäre Songs, bei denen ich mit Akustikgitarre über einen programmierten Loop oder Beat sang.“

Während die Welt ihren Gang ging, nahm Byrne sich die Zeit, einige Fragen zu stellen: „Mag ich eigentlich, was ich tue? Warum schreibe ich Songs, warum mache ich diesen Job? Ist irgendetwas daran wichtig?“

Byrnes Auseiandersetzungen mit diesen gewichtigen Fragen finden sich auf „Who Is The Sky?“, der ersten Zusammenarbeit von Byrne, dem Produzenten und Grammy-Gewinner Kid Harpoon aka Tom Hull (Harry Styles, Miley Cyrus) und dem New Yorker Kammer-Ensemble Ghost Train Orchestra. Zu hören sind auch Hayley Williams von Paramore, St. Vincent, und The-Smile-Drummer Tom Skinner

Das Album baut auf dem Optimismus seines Vorgängers auf. Es setzt Byrnes andauernde Betrachtungen der menschlichen Beziehungen und des Potenzials für gesellschaftlichen Zusammenhalt vor dem Hintergrund des globalen Chaos fort. Bei aller Gratwanderung zwischen zugänglichem Pop und Avantgarde ist Byrne in seinen humorvollen und positiven Songs aber nie um eine kleine Lektion verlegen: Die Liebe ist unerklärlich, Erleuchtung kann für viele Leute sehr viel Verschiedenes bedeuten und es ist immer eine gute Idee, sich mit feuchtigkeitsspendenden Mitteln zu pflegen – egal ob man am nächsten Morgen mit Haut wie der eines Babys aufwacht oder nicht.

Die Zusammenarbeit mit dem 15-köpfigen Ghost Train Orchestra begann, nachdem Byrne es 2023 bei einer Tribute-Show für den blinden New Yorker Komponisten und Street-Poeten Moondog sah und er im Folgejahr bei einer Performance mit auf die Bühne kam. Angetan von der breiten instrumentalen Palette zwischen Schlagzeug, Percussion, Gitarre, Bass, Streichern und Bläsern fragte sich Byrne: „Wie wäre es, wenn meine Songs so klingen würden?“ Er fragte an, ob das Orchester als Studioband zur Verfügung stünde und die Kooperation kam bald zustande.

„David und ich haben uns über eine gemeinsame Freundin kennengelernt, Joan Wasser, die auch eine entscheidende Rolle bei unserem Moondog-Projekt spielt“, erzählt Ghost-Train-Orchestra-Kopf Brian Carpenter. „Als sie mir sagte, dass er an der Band interessiert sei, war ich als Fan seit Jahrzehnten, der gerade noch American Utopia mit seinem Sohn angeschaut hatte, natürlich absolut begeistert. David schickte mir einige Demos und fragte, ob wir dazu Orchester-Ideen zusammenstellen könnten. Curtis Hasselbring und ich verfassten einige grobe Arrangements für Ghost Train, darunter My Apartment is My Friend, welches der erste Song war, den wir in unsererm kleinen Übungsraum in Chinatown probten. Als wir David schließlich das erste Mal zusammen mit uns singen hörten, war das einfach unglaublich.“

Ähnlich schnell ging es bei Kid Harpoon. „Manchmal kommen Dinge tatsächlich auf Parties zustande“, so Byrne, dem Harpoon auf einer solchen vorgestellt wurde. „Ich wusste, dass es alles etwas kompliziert werden könnte und wollte sichergehen, dass die Aufnahmen so gut wie nur möglich werden würden. Einige Leute, die ich kenne, hatten mit Kid Harpoon gearbeitet und ich fand, dass diese Platten wirklich gut klangen.“ Byrne schickte Harpoon einige Demos und kurz darauf war die Sache beschlossen.

Auf Who Is The Sky? gibt es mehr erzählerische Songs als sonst, sagt Byrne. Unter diesen auf persönlichen Erfahrungen basierenden Mini-Stories finden sich etwa “She Explains Things to Me” (“how come it’s all so obvious to her?”), “A Door Called No” (die sich wie von Zauberhand öffnet, nachdem Byrne einen Kuss bekommt), “My Apartment Is My Friend” (“you’ve seen me at my very worst / but we always get along”) und “I Met the Buddha at a Downtown Party” (wo sich dieser allerdings eher für die ungesunden Desserts als für Gottwerdung interessiert).

„What Is the Reason for It?“, auf dem sich die Stimmen von Byrne und Paramores Hayley Williams umspielen, kodiert die Liebe auf eine Weise, die mit Logik nur schwer erreichbar ist (“does it do something useful? / nobody understands it”), während „The Avant Garde“ mit den Vorzügen der Kunst um der Kunst Willen ringt (“it’s ahead of the curve / it’s deceptively weighty, profound, absurd / it’s whatever fits”) – die Meta-Beobachtung eines der ikonischsten Künstler, die aus dem New Yorker Rock-Underground hervorgegangen sind.

„Ich vermutete, dass intime Orchester-Arrangements die Emotion, die in diesen Songs liegt, zum Vorschein bringen würde“, erzählt Byrne. „Es ist etwas, das die Leute nicht immer in meinen Songs hören, aber diesmal war ich mir sicher, dass es da ist. Zugleich betrachte ich mich als jemanden, dem es um Zugänglichkeit geht. Ich stellte mir vor, dass Kid Harpoon dabei helfen könnte, denn es gab eine Menge zu tun. Viele denken bei Produzenten an Leute, die vor allem dafür sorgen, dass eine Platte gut klingt, und das hat Kid Harpoon auch getan. Aber er war sich auch darüber bewusst, wie wichtig das Storytelling ist.“

„Ich hab ihn immer durch die Erzähler-Brille betrachtet, so wie Moisturizing Thing eine Erzählung ist“, sagt Kid Harpoon dazu. „Ich habe kurz gebraucht, um festzustellen, dass diese Songs auch persönlich sind, aber eben mit Davids einzigartiger Perspektive auf das Leben als solches. Es war toll durch New York zu spazieren mit dem Demo von Everybody Laughs auf den Ohren, weil es mir das Gefühl gab, dass wir alle eins sind – wir alle lachen, weinen und singen. Das ist das Ding, das viele an David so schätzen. Er begreift die Absurdität des Ganzen, versteht den Witz. Und all diese persönlichen Beobachtungen sind sein Blick darauf“, erzählt er weiter. „Er hat einen wirklich eigenen Kopf und obwohl er von Platte zu Platte völlig verschiedene Wege geht, fühlt sich alles sehr gemeinschaftlich an. Alle sind beteiligt und er ist der Kopf des Ganzen.“

Als es daran ging Ghost Trains Parts auszuarbeiten, machte Orchester-Kopf Carpenter für jedes Arrangement ein anderes Mitglied zuständig, was „Who Is The Sky?“ eine weitere Ebene an Vielfalt und Experimentierfreude gab. Byrne und Kid Harpoon schalteten sich hier und da via zoom in die laufende Arbeit ein. „Aus David kommt einfach ein endloser Strom an großartigen Ideen“, so Carpenter. „Und Tom bereicherte alles mit seinem wunderbaren Gespür für Hooks und Aufbau. Es war eine einzigartige Erfahrung.“

Als bekennender Pedant, wenn es um Grooves geht, holte Byrne Tom Skinner sowie den brasilianischen Percussionisten Mauro Refusco an Bord, mit dem er bereits seit über 30 Jahren tourt und aufnimmt. Auf dem von Mark „Spike“ Stent gemixten und von Emily Lazar gemasterten Album geht es ums Verbergen genauso wie das Enthüllen – oder, wie Byrne selbst es sagt: um die „Chance, das mythische Wesen zu sein, das wir alle in uns tragen. Die Chance, in eine andere Realität zu treten, über uns hinaus zu wachsen und das Gefängnis zu verlassen, das wir uns selbst sind.“ Dieses Konzept spiegelt sich auch im Artwork wieder, das von Shira Inbar designt wurde und in welchem Byrne durch rotierende Farbmuster und psychedelische Stacheloutfits des belgischen Künstlers Tom Van Der Borght fast unkenntlich gemacht wird.

Quer durch die neuen Songs gibt es dynamische Rhythmen und subtile instrumentale Ornamente: von der hervorstechenden Gitarre bei „When We Are Singing“ (man achte auch auf die „wortlosen“ Vocals am Ende) zum Bum-da-bum-da-bum-Beat mit akustischer Gitarre bei „Don’t Be Like That“ und dem taumelnden, mit Marimba und Theremin betupften „I’m an Outsider“.

„In meinem Alter – zumindest ist es bei mir so – da setzt diese don’t give a shit about what people think Einstellung ein”, so Byrne. „Ich kann aus meiner Komfortzone treten mit dem Wissen, wer ich bin und was ich tue. Gleichwohl ist jedes Album, im Grunde sogar jeder Song, ein neues Abenteuer. Es gibt immer dieses: wie kann ich das umsetzen? Ich habe festgestellt, dass nicht jede Zusammenarbeit funktioniert, aber oft, wenn es klappt, dann liegt es daran, dass ich klar vermitteln kann, was ich zu tun versuche. Wenn das funktioniert, dann sind wir am Ende alle gemeinsam unterwegs zum selben unbekannten Ort.“

Über das Ghost Train Orchestra

Das Ghost Train Orchestra ist ein großes Ensemble aus Brooklyn, das 2006 von Brian Carpenter gegründet wurde. Die Gruppe ist bekannt für ihre einzigartigen Neuinterpretationen von unbekannten, oft obskuren Komponisten und Komponistinnen. Sie hat zahlreiche Aufnahmen und Auftritte in New York und darüber hinaus absolviert und fünf Alben veröffentlicht. 2023 brachte das Ghost Train Orchestra „Songs and Symphoniques“ heraus, eine Zusammenarbeit mit dem legendären Kronos Quartett, die die Musik von Louis Hardin alias Moondog neu interpretierte, jenem New Yorker Straßenkünstler und Dichter, der Hunderte von wunderschönen und eindringlichen Madrigalen und Symphonien schrieb.

Text: Pressemitteilung

Erzählt von uns: Facebooktwitterby feather