
Revolte als Rockkonzert: Als die Scherben Hamburg zum Beben brachten
1982, Markthalle Hamburg: Die Republik taumelte zwischen NATO-Doppelbeschluss, Hausbesetzerbewegung und kaltem Kriegsgefühl – und Ton Steine Scherben standen mitten in diesem Spannungsfeld. Was damals an einem Hamburger Abend geschah, war mehr als ein Konzert. Es war ein Manifest. Laut, roh, wütend und – ja – unglaublich lebendig.
Rio Reiser kommt nicht auf die Bühne – er erscheint.
Der Abend beginnt mit einer lauten Begrüßung, „Jenseits von Eden“ und die Markthalle wird zur Kollektiv-Küche der Wut.
Die Scherben, damals längst zur Legende im linken Spektrum geworden, liefern keine perfekte Rockshow. Sie liefern Überzeugung. Kein Funken Choreografie, kein einziger kalkulierter Moment. Dafür: eine Wand aus Gitarren, eine Haltung aus Beton und Texte, die bis heute unter die Haut gehen.
„Wir müssen hier raus, das ist die Hölle“ – Hamburg antwortet mit kollektiver Gänsehaut.
Mitten im Set: „Der Traum ist aus“ – und plötzlich ist es ganz still. Rio, barfuß, schaut ins Publikum, als würde er jeden Einzelnen direkt ansprechen:
„Aber ich werde alles geben, dass er Wirklichkeit wird.“
Die Scherben wechseln zwischen Rock, Blues, Punk und Liedermacher-Spirit – und das Publikum geht jeden Schritt mit. Es ist ein Konzert, das gleichzeitig wütend macht und Hoffnung schenkt.
Kein Instagram – nur Haltung.
Wer 1982 ein Konzert der Scherben besucht hat, kam nicht, um unterhalten zu werden. Man kam, um Teil von etwas Größerem zu sein. Und in der Hamburger Markthalle war das an diesem Abend spürbar: Eine ganze Generation suchte nach Sprache für ihr Lebensgefühl – und fand sie in diesen Songs.
Fazit (aus heutiger Sicht):
Das Scherben-Konzert in Hamburg 1982 war keine musikalische Leistungsschau, sondern ein Akt politischer Selbstvergewisserung. Laut, ungeschliffen, bewegend. Man sagt, Musik könne die Welt nicht verändern. Wer an diesem Abend in der Markthalle war, hätte widersprochen.
Text: Dennis Kresse
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