
Mit Kallimale präsentieren die Estonian Voices ein Album, das so feinsinnig wie gewagt ist – eine vokale Liebeserklärung an das Baltikum, den Jazz und die Kunst der Reduktion. Der Titel bedeutet so viel wie „Für die Geliebte“ – und tatsächlich fühlt sich dieses Werk an wie ein intimer Brief: verschlüsselt, poetisch und tief empfunden.
Die sechsköpfige Vokalgruppe aus Estland, die sich seit Jahren konsequent dem a cappella verschrieben hat, sprengt mit Kallimale erneut Genregrenzen. Jazz, Folk, Pop und klassische Chormusik verschmelzen zu einem schillernden Klangorganismus, der durchweg menschlich bleibt – im besten Sinn des Wortes.
Was auffällt: Die Arrangements sind komplex, aber nie selbstverliebt. In Songs wie „When the Sund“ oder dem atmosphärischen „Naba“ gleiten die Stimmen mühelos durch Taktwechsel, Harmonieverschiebungen und sprachliche Vielfalt. Die estnische Sprache, die für viele Ohren ungewohnt sein dürfte, wird dabei zum Instrument – sie fließt, perlt, haucht, trägt. Man versteht nicht jedes Wort, aber man spürt jede Emotion.
Besonders faszinierend ist die Balance zwischen Präzision und Wärme. Die Estonian Voices beherrschen ihre Kunst bis ins Detail – aber sie singen nie steril. Stattdessen entsteht das Gefühl, als würde einem jemand direkt ins Ohr singen, ganz leise, ganz nah. Intimität trifft auf Virtuosität.
Fazit: Kallimale ist ein kleines Juwel vokaler Erzählkunst – experimentell, anrührend und voller musikalischer Intelligenz. Wer glaubt, a cappella sei nur Chorknabenromantik oder Vocal Pop mit Loops, wird hier auf erlesenste Weise eines Besseren belehrt.
Text: Dennis Kresse
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