Im Gespräch mit Wolfgang Müller!

Soundchecker.Koeln hat ein Gespräch mit Wolfgang Müller geführt, der deutsche Singer-Songwriter und Autor aus Hamburg hat mit Strudia einen Ratgeber über Angststörung geschrieben. Seine lesenswerten Antworten findet ihr unten. Noch eine persönliche Anmerkung, es ist keine Schande, sich professionelle Hilfe zu holen, im Gegenteil.

Soundchecker.Koeln: Herzlichen Glückwunsch zum runden Geburtstag, wir sind etwa gleich alt und teilen ein ähnliches Schicksal. War das nicht schwierig, sich so zu öffnen und es niederzuschreiben?

Wolfgang Müller: Vielen Dank. Nein, das war eher äußerst befreiend. Der ganze Komplex „Angst“ war für mich über viele Jahre äußerst diffus und ungreifbar. Oft dachte ich, dass das normal ist so viel Angst zu haben. Und wenn ich in einer Panikattacke war, wusste ich nicht, was ich tun sollte. Das Thema einmal von Grund auf durchzuarbeiten und auch noch eine Lösung dafür zu haben hatte etwas sehr Heilsames.

„STRUDIA: Kampfkunst für den Kopf“ hat mir sehr geholfen, hast du das öfters gehört als Resonanz oder ist da die Höhe zum Autor zu groß? Gibt es da eine gewisse Scheu, ist ja sehr persönlich.

Viele Leute sagen mir, dass Ihnen das Buch sehr gefällt, und dass sie sich dadurch gesehen und nicht mehr so alleine fühlen. Alleine das ist es ja schon wert. Es wird ja immer noch viel zu wenig über psychische Probleme geredet, es ist immer noch total schambesetzt. Was die konkrete Technik angeht, gibt es unterschiedliche Rückmeldungen. Die Umsetzung ist aber natürlich auch nicht völlig trivial. Es dauert, bis man das mit der Visualisierung seiner Ängste verstanden hat, und dann auch noch regelmäßig praktiziert und daran glaubt. Das ist ein langer Prozess.

Hat „STRUDIA: Kampfkunst für den Kopf“ deinen Blick auf Psychologie verändert?

Vielleicht geschärft. Ich habe dadurch noch viel mehr verstanden, was für einen unglaublichen Einfluss Bilder auf unsere Seele haben. Ich wusste das zwar theoretisch, aber das hautnah (im positiven Sinne) zu erleben ist noch mal was ganz anderes. Es ist sehr beeindruckend zu sehen, was wir für krasse Selbstheilungskräfte haben, auf die wir einfach zugreifen können.

Ist es ein gutes Rezept, seine Angst Johnny zu nennen und sie damit ein wenig lächerlich zu machen?

Ich habe dieses Beispiel gewählt, weil es sehr eingängig und leicht zu verstehen ist. Jeder kann und sollte seine eigenen Bilder entwickeln, denn wie ich in dem Buch ja auch schreibe, geht es darum, die Technik der Visualisierung für alle möglichen Herausforderungen anzuwenden. Aber ja, seine Angst als ein etwas dämliches Monster zu visualisieren ist unglaublich hilfreich, um wieder die Lufthoheit über die eigenen Emotionen zu bekommen. Mit einer abstrakt durch mich durch wabernden Angst umzugehen, ist schwer. Mit einem felligen Monster nicht so sehr.

Was mir gefällt, das ist dein Stil, Ich höre oft „Warum hat ein großer Kerl wie du eigentlich Panikattacken“. Beim Lesen deine Buches fühlte ich mich ernst genommen. Muss man davon betroffen sein, um sich da reinzuversetzen?

Entweder das, oder man hat eine fundierte Ausbildung. Ich hatte sehr bizarre Erlebnisse in Therapien, unter anderem auch jemand, der sagte „Ich verstehe gar nicht, dass so ein großer Kerl wie du Angst hat.“ Ein Therapeut!! Das führt aber gleich zum Kern des Problems – das Wissen um Traumata. Man kann davon ausgehen, dass jeder mit einer Angststörung oder einer Depression unter einem Trauma leidet. Das muss keine physische Gewalterfahrung sein. Und ausgerechnet dieses Thema wird von ganz vielen Therapeuten nur mit spitzen Fingern angefasst, wenn überhaupt. Es herrscht eine unfassbare Unwissenheit und Scheu zu diesem Komplex, sowohl bei Patienten als auch bei Therapeuten, dabei ändert die Erkenntnis, traumatisiert zu sein, einfach alles. Den gesamten Therapieansatz. Denn bei einem Trauma ist es egal, wie groß oder breit du bist. Und da helfen auch keine Verhaltenstherapien. Ich kann in dem Zusammenhang sehr das Buch „Bin ich traumatisiert“ von Verena König empfehlen, ein echter Eye-Opener.

Erscheint eine Fortsetzung als Buch oder ist „Das Ende von allem“ jetzt das Ende von allem?

Das weiß ich noch nicht. Ich habe ja letztes Jahr mit dem Buch und dem Album sehr sehr intensiv Aufarbeitung betrieben, ich brauche auf jeden Fall jetzt erst mal eine Pause. Das war schon sehr aufwühlend und energetisch ein ganz schönes Brett.

Wie geht es mit dir als Musiker weiter?

Ich werde dieses Jahr ein paar Live-Termine haben, eine Lesung mit Akustikkonzert, da freue ich mich drauf.

Vielen Dank für ein richtig wichtiges Gespräch und danke für den wunderschönen Vergleich in „Immer noch Fahrrad“.

Text: Dennis Kresse

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