
In der Geschichte des Gitarrenrock gibt es wenige Bands, die bis zum neunten Studioalbum durchgehalten haben — und mehrheitlich enttäuschende neunte Studioalben. Wer sich achtmal ausgewrungen, abgequält und leer geschrieben hat, ist höchstgefährdet, ein für allemal den Hunger zu verlieren und im Greatest-Hits-Teufelskreis zu erlahmen.Die Beatsteaks haben proaktiv gegen die eigene Sattheit aufbegehrt und so lange im kreativen Hungerstreik ausgeharrt, bis das Feuer alter Tage wieder zu lodern begann. Um es endgültig neu zu entfachen, musste die Band hart an sich arbeiten, alte Muster überwinden, sich auf das Wesentliche besinnen, Ordnung schaffen und neues Chaos zulassen. Am Ende jenes Prozesses steht »PLEASE« — ein neuntes Studioalbum, das mit der Eindringlichkeit, dem Spielwitz und der Unrast einer explosiven Debüt-LP auftrumpft.
»Was uns innerhalb der Band verbindet, ist ja unter anderem, dass wir alle nicht lange ruhig halten können«, schmunzelt Sänger und Gitarrist Arnim Teutoburg-Weiß. Das neue Album sei »so zappelig, wie jedes einzelne Mitglied der Beatsteaks es auch ist« — und »immer ein bisschen zu dolle«. Genau dieser Aspekt macht »PLEASE« so juvenil, so leichtfüßig, so pulsierend, so fordernd: Dieses Album ist auf hundertachtzig, kippelt, hämmert und klirrt, hält unablässig eine elektrisierende Spannung, hat ADHS. Irgendwie ist das auch kein Wunder, entlädt sich in »PLEASE« doch eine Vulkanladung an künstlerischem Ehrgeiz, der sich seit knapp sieben Jahren — ganz richtig, so lang liegt das letzte Beatsteaks-Studioalbum »Yours« inzwischen zurück — angestaut hat. Seit Herbst 2017 hat sich vieles, ja, eigentlich alles verändert: In der Welt, in der Musiklandschaft, auch in den Lebensrealitäten aller fünf Beatsteaks-Mitglieder. Es sind Kinder gekommen und Eltern gegangen, es gab ein paar individuelle und ein paar kollektive Krisen zu meistern, auf dem Weg ist das eine oder andere Haar ergraut — »dit janz normale Leben halt«, wie Arnim resümiert. »Und dann war da noch eine Pandemie«, fügt Schlagzeuger Thomas Götz an.
In dieser Zeit wurde geredet, vermutlich so viel wie noch nie, in der Geschichte der Beatsteaks— über sich einschleichende Hierarchien, unliebsame Marotten und schnöde Gewohnheiten, Ansprüche, Werte und die gemeinsame Zukunft. »Im Laufe dieses Dialogs ist uns klar geworden, wie groß der Kosmos ist, den wir uns mit der Band selbst geschenkt haben … Und wie
klein die Luxusprobleme sind, die uns hin und wieder darin beschäftigen«, führt Arnim aus. Die noch viel wesentlichere Erkenntnis: »Unsere Aufgabe ist es, den Leuten etwas Schönes zu
bringen, sie mit unserer Existenz, unserer Musik glücklich zu machen … Die Welt ist schließlich beschissen genug«. Diese Maxime, sinnbildlich manifestiert in der 2022 erschienenen Single
»Kommando Sunshine«, ist als Fundament der neuen Platte »PLEASE« zu begreifen. Etwas Schönes muss sich schon im Kern schön anfühlen und in einer, so formuliert es Thomas Götz, »stress- und argwohnfreien Zone« reifen. Der größtmöglichen Leichtigkeit zuliebe haben die Beatsteaks ihren Laden aufgeräumt — und neuen Wind reingelassen. Anders als alle Alben
seit der Platin-Scheibe »Smack Smash« aus 2004 wurde »PLEASE« nicht vom bis heute engen Freund der Band Moses Schneider produziert.
Im Sommer letzten Jahres ging es dann Schlag auf Schlag: Am 28. Juni verließen die Beatsteaks begleitet von »Non, je ne regrette rien«-Gesängen ihrer verschwitzt-beseelte Crowd die Bühne des Fusion Festivals. Das Equipment wurde ab- und keine zwölf Stunden später direkt wieder aufgebaut: Im Publikumsbereich des Berliner Columbia Theaters. Genau hier verwandelten sich anschließend knappe fünfundzwanzig Skizzen in elf vollwertige Albumsongs. Thomas Götz nennt Olaf Opal nicht grundlos den »Master of Räume«: Die Idee, »PLEASE« nicht im Studio oder gar im Proberaum, sondern im Epizentrum eines riesigen, altehrwürdigen Saals zu recorden, kam vom neuen Produzenten. Heute lässt sich festhalten, dass das ‚Experiment Theatersound‘ einem Geniestreich glich: Über der gesamten Platte hängt ein raumfüllender,organisch-dreidimensionaler Hallschleier. Gleichzeitig ist jedem einzelnen Song anzuhören — auch das hat gewiss mit den veränderten Bedingungen zu tun — dass die Band aufgeregt ist. Und das ist, logisch, immer ein gutes Zeichen.
»Die Platte ist in allem, was wir da machen, janz dolle wir«, findet Arnim. Tatsächlich bringt »PLEASE« sämtliche Eigenarten, die die Beatsteaks auszeichnen, maximal treffsicher auf den Punkt. Diese Fusion aus sphärisch schattierten Gitarrenwänden und Arnims Powergesang, der mehr sechstes Instrument als Gesangsstimme ist; dieser absolut undeutsche Sound samt englischsprachiger, im Kollektiv getexteter Vocals; diese dauerhafte Infragestellung konventioneller Rockband-Schemata, diese ignorante Genre-Mixtur, dieses »hier wird nichts gemacht, weil man das einfach so macht«, dieses nahbare Aufbranden gemeinschaftlicher Glücksgefühle —all das ist typisch Beatsteaks. »PLEASE« ist das Beweisstück für eine bestens funktionierende und seit bald dreißig Jahren bestehende Fünfecksbeziehung. Peter, Bernd, Torsten, Arnim und Thomas sind noch nicht satt, haben, anders als die meisten Bands in der Geschichte des Gitarrenrock, durchgehalten — und möglicherweise das beste neunte Album aller Zeiten zusammengeschmiedet.
Auf der Bühne spielt das Quintett Champions League, das war immer so: Nicht nur deshalb bringen sie „PLEASE“ direkt am Veröffentlichungswochenende bei zwei großen Konzerten in der Berliner Wuhlheide vor über 30.000 Menschen und im Anschluss mit einer großen Tour auf die Bretter, die nicht nur ihnen die Welt bedeuten, sondern ihrer Musik erst den richtige Raum geben, sich zu offenbaren und in einem musikalischen Happening Gestalt anzunehmen, mit dem die Beatsteaks den Rahmen eines klassischen Rockkonzertes schon lange gesprengt und sich auf einen neuen Weg gemacht haben.
Text: Pressemitteilung
Erzählt von uns:

