Espagne!

 

– Spanien! WDR Sinfonieorchester unter Josep Pons,  08.April 2016 Kölner Philharmonie –

Nach Spanien sollte die musikalische Reise des Abends führen und was liegt da nicht näher, als drei französische Komponisten als Reiseführer zu nehmen? Das Ausrufezeichen hinter dem Titel kann durchaus mit einem ironischen Unterton gelesen werden, haben die nicht spanischen Komponisten uns doch Stücke beschert, die in ihrer Anmutung spanisch sein sollten, von ihrer Rhythmik und Melodik  südamerikanisch und vom Schema her eher in der mitteleuropäischen Musikwelt verwurzelt sind.

Das WSO unter Leitung des katalanischen (streng genommen auch kein Spanier) Dirigenten Josep Pons starteten mit Maurice Ravels Alborada del gracioso dem „Morgenständchen eines Narren“. Man hört den Narren durch die Gassen flitzen auf dem Weg zu seiner Geliebten. Dort stimmt er ein melancholisches Liedchen an und singt seine unerwiderte Liebe in den Morgen. Doch irgendwas geht schief und er muss wieder laufen und man hört ihn sogar irgendwann eine Treppe runterlaufen (oder fallen?). Das Orchester spielt im Wechsel mit Feuer und Melancholie, das Bild das Fremde von Spanien gemalt haben erwacht zum Leben.

Édouard Lalos Symphonie espagnole ist eigentlich ein fünfsätziges Violinen Konzert, das für den Geiger Pablo de Sarasate (ein echter Spanier!) geschrieben wurde. An diesem Abend hat der erste Konzertmeister des WSO Slava Chestiglazov die Solo Partie übernommen. Furios geht es los, die Violine schwingt sich in die höchsten Höhen. Das technisch anspruchsvolle Stück fordert Solisten und Orchester. Bei aller technischen Brillanz, leider stimmt das das Timing nicht immer. Wenn die Läufe des Solisten enden, ist das Orchester schon vorbei. Chestiglazov lehnt und dreht sich immer wieder ins Orchester und versucht Kontakt zu halten. Das gelingt auch immer wieder, besonders im zweiten und dritten Satz. Das Werk selber hat seine Momente und die virtuosen Passagen sind wunderbar, aber es will nicht so recht Feuer aufkommen für diese Symphonie espagnole. Womöglich auch, weil der Geiger immer wieder wert auf die Technik legen muss und sich nicht immer mit dem Ausdruck beschäftigen kann. Während des durchaus verdienten Applauses sieht der Solist unzufrieden aus. Die Zugabe – Peter Tschaikowsky „Melodie“ – zusammen mit dem Orchester ist da vielleicht auch als Wiedergutmachnung für Chestiglazov selbst.

Nach der Pause eine Suite aus Georges Bizet Oper Carmen, die vom russischen (schon wieder kein Spanier) Komponisten Rodion Shchedrin als Balletmusik zusammengestellt wurde. Die Besetzung für dieses Stück sieht ein Streichorchester und vier Schlagzeuger vor. Diese vier Herren sorgen für die Unterhaltung, denn sie machen nicht nur die „übliche“ Klanguntermalung mit Becken, Kastagnetten oder Triangel, sondern mit Vibraphon, Marimbaphon oder anderem spielen sie einige der berühmten Themen und Melodien aus der Oper. Bewundernswert mit welcher Konzentration sie zwischen einem „Ratsch“ hier und einem „Ping“ da die Instrumente wechseln und präzise ihre Einsätze einhalten. Das Streichorchester arbeitet sich derweil an seinem Teil der Oper ab. Das klingt alles sehr hübsch, ist wie immer hochklassig gespielt, der Funke spring allerdings nicht über. Diese Bearbeitung gehört in die Reihe von Balletmusiken, die ohne Ballet zu viele Längen hat. Positiv kann man natürlich sagen, sie lädt zum kontemplativen Zuhören ein. Aber wir haben ja die vier Perkussionisten, die bald wieder für Abwechslung gesorgt haben.

Zum Abschluss der Bolero von Maurice Ravel. Bei seiner Uraufführung ein Skandal, wurde er zwischenzeitlich als Hintergrundmusik beim Eistanz oder erotischen Filmszenen gleichermaßen kommunalisiert wie gefleddert. Ravel wusste schon zu Lebzeiten, dass das wohl als sein bekanntestes Stück in die Musikgeschichte eingehen würde und er hat nie verstanden weshalb. Echte Bedeutung hat der Bolero für Zweierlei: Erstens zeigt er die großartigen Orchestrierungs-Fähigkeiten von Maurice Ravel in komprimierter Form. Seine Kenntnisse der Instrumente und Klangfarben und wie man sie kombinieren kann um wirklich neue Klänge zu erzeugen – wenn er etwa in der 9. Stufe mit Celesta, Horn und Flöten eine Orgel simuliert. Zweitens, dass mit einem Cresendo die Emotionen der Zuhörer am leichtesten zu manipulieren sind.
Das WSO hat den Bolero – den sie auch am Vorabend bei der Happy Hour in Dortmund gespielt haben – mit Freude und Routine aufgeführt und den zu erwartenden tosenden Applaus dafür eingefahren.

Wie immer ist das Konzert bis in den Mai auf dem WDR Konzertplayer nachzuhören.

Webseite: WDR Sinfonieorchester
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