Tocotronic – 01.07.2022 – E-Werk, Köln

Erschreckenderweise heißt das aktuelle Album der Vorzeigeband der Hamburger Schule „Nie wieder Krieg“. Als hätten die Männer um Dirk von Lotzow schon geahnt, dass es an Aktualität gewinnen könnte. In Köln und vor allem im E-Werk gastiert das Quartett oft und gerne, ist ihm hier doch meist ein volles Haus und viel Zuspruch sicher. Auch an diesem Abend ist das E-Werk sehr gut gefüllt, jedoch noch nicht als der Support Rickolus alleine auf der Bühne erscheint. Hinter Rickolus steht der 40-jährige amerikanische Songwriter Rick Colado, den Tocotronic-Bassist Jan Müller 2019 mal gesehen hat und unbedingt im Vorprogramm haben wollte.

Doch diesen Vorschusslorbeeren kann er nicht gerecht werden. Dabei bringt er durchaus einiges mit. Eine sehr markante tiefe und leicht krächzende Stimme, die an die Gesangsstimmen von Peter Garrett von Midnight Oil oder an Rob Goodwin von The Slow Show erinnert. Aber den Melodien seiner Songs, die er entweder auf dem Keyboard oder an der Gitarre spielt, fehlt der Ohrwurmcharakter und auch er selbst tut sich schwer als alleiniger Frontmann. Einzig die letzte Nummer, die komplett instrumentiert vom Band kommt, scheint besser zu funktionieren. Hier soll auch das Publikum mitmachen und rhythmisch zwischenrufen.

Die Umbaupause dauert nicht lang, das E-Werk füllt sich nach und nach als zu der Musik Dance of the Knights aus Romeo und Julia von Sergej Prokofiev die Männer von Tocotronic auf die Bühne kommen.Dirk von Lotzow drückt anfangs in kurzen, knappen Sätzen seine Verachtung zum Angriff auf die Ukraine, bevor sie ihr Set eröffnen. Es folgt ein abwechslungsreicher Streifzug durch die Hits und Diskografie von Tocotronic.

Der Sound dabei ist sehr laut, kräftig und bleibt dabei jedoch stets klar. Der aufmerksame Fan von Tocotronic, der vielleicht auch schon mehrere Live-Shows sah, wird bemerken, dass alle Songs deutlich rockiger, gitarrenlastiger und somit brachialer gespielt werden als sie auf den jeweiligen Alben klingen. Und ebenso weiß der wiederholende Konzertbesucher auch, dass nach Abschluss des regulären Konzerts das letzte Wort noch längst nicht gesungen ist. Ca. 1/3 verweilt selbst nach zweimaliger Rückkehr von Tocotronic auf die Bühne länger und harrt aus, da die letzte Pause immer etwas länger dauert. Und so soll es auch dieses Mal sein.

Mit Freiburg, wieder extrem gitarrenlastig gespielt, finden Tocotronic einen geräuschvollen Abgang und verabschieden sich aus Köln.Die Männer aus Hamburg machen an diesem Abend alles richtig, zeigen Haltung, äußern sich politisch und nehmen sich aber auch das Kölner Publikum nicht zu ernst. Aber sie schlagen eben auch nicht ins Gegenteil um und alles hat eine wohltuende Dosis. Respekt, Zuneigung und Dankbarkeit prägen diesen Abend. Von der Bühne und vom Publikum aus.

Setlist Tocotronic- Köln. E-Werk (01.Juli 20022)
Nie wieder Krieg
Komm mit in meine freie Welt
Jugend ohne Gott gegen Faschismus
Hoffnung
Digital ist besser
Aber hier leben, nein danke
Die Welt kann mich nicht mehr verstehen
Ich verabscheue euch wegen eurer Kleinkunst zutiefst
Eure Liebe tötet mich
Die neue Seltsamkeit
Ich hasse es hier
Ich tauche auf
Let There Be Rock
Ich bin viel zu lange mit euch mitgegangen
Drüben auf dem Hügel
Ich habe Stimmen gehört
This Boy Is Tocotronic
Hi Freaks
Neues vom Trickser
Explosion
Freiburg

Homepage
Facebook
Twitter
Instagram

Text: Jan Rombout

Erzählt von uns: Facebooktwitterby feather