Rock am Ring 2025: 40 Jahre Wahnsinn mit Methode

Rock am Ring 2025: Drei Tage Sound und Haltung!

Nürburgring, 6.–8. Juni 2025 – Rock am Ring ist kein Festival. Rock am Ring ist ein Zustand. Zum 40-jährigen Jubiläum wurde dieser Zustand am Fuße der Grünen Hölle mit Wucht, Vielfalt und Witz gefeiert. Drei Tage lang bebte die Eifel – ein musikalisches Epizentrum, in dem Härte auf Herz, Rausch auf Reflexion und Stromgitarren auf Synthies trafen. Rock am Ring 2025 war mehr als eine Rückschau auf vier Jahrzehnte Festivalgeschichte – es war ein Blick nach vorn, mit offenen Ohren und geballten Fäusten.

Tag 1 – Freitag, 06.06.2025

Der Wahnsinn hat Methode.

Die Wetterfrage steht jedes Jahr im Raum, und auch 2025 präsentierte sich die Eifel gewohnt unberechenbar – nennen wir es wohlwollend: durchwachsen. Doch wahre Ring-Fans schreckt das nicht ab. Denn der Schlamm gehört dazu wie der Moshpit zum Breakdown.

Die Veranstalter hatten im Vorfeld drei Überraschungsacts versprochen – eine Tradition, die Erwartungen schürt. Und sie wurden nicht enttäuscht: Als Donots-Frontmann Ingo Knollmann die Utopia Stage betrat, bebte das Areal – nicht zuletzt, weil Electric Callboy als erster Überraschungsact loslegte. Die Band zündete ein audiovisuelles Feuerwerk aus Metalcore, Techno und Selbstironie. Pyros, Konfetti, durchchoreografierte Tanzbewegungen – dazu Gastauftritte wie von Influencer HandOfBlood, der in der Szene längst Kultstatus genießt. Das war Eskalation mit Ansage – und die Menge? Kompromisslos bereit.

Im Anschluss bewiesen Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys, dass Ironie einen Soundtrack haben kann. Italo-Schlager, der sich selbst nicht ernst nimmt – aber musikalisch präzise inszeniert ist. Wie ein Sonnenuntergang auf Prosecco. Nicht jedermanns Sache – aber ein Paradebeispiel für die stilistische Offenheit des Festivals.

Mit Knocked Loose folgte die Abrissbirne. Der dritte Überraschungsact schickte brachiale Hardcore-Wellen durch die Menge. Ihre Mischung aus Blastbeats, Growls und roher Energie fegte den Glitter des Voracts vom Platz. Keine Kompromisse, keine Gnade – nur kathartischer Krach.

Weezer, stilistisch ein Kontrastprogramm, lieferten mit Hits wie „Buddy Holly“ und „Island in the Sun“ einen Soundtrack für Indie-Veteranen. Frontmann Rivers Cuomo präsentierte sich wie immer ein wenig entrückt – aber charmant. Ihr Set wirkte wie ein gut geölter Oldtimer: nicht mehr der Schnellste, aber mit Seele.

Frank Turner & The Sleeping Souls übernahmen auf der Mandora Stage mit einer Mischung aus Punk, Folk und unverstellter Emotionalität. „Be More Kind“ und „I Still Believe“ wurden zu kollektiven Durchhalteparolen – vorgetragen mit Herz, Witz und einem Hauch Pathos.

Feine Sahne Fischfilet hielten die politische Punkfahne hoch. Laut, emotional, klar in der Haltung. Ihre Songs wie „Komplett im Arsch“ sind keine leichten Kost, aber sie funktionieren live als explosionsartige Statements. Der geheime Campingplatz Gig vorher war das Tüpfelchen auf dem I – für viele ein Highlight jenseits des Mainstreams.

A Day To Remember verwandelten die Utopia Stage in ein energiegeladenes Spannungsfeld zwischen Pop-Punk, Metalcore und kollektiver Entladung. Es wurde weniger gesungen als geschrien – aber das Publikum war textsicher bis ins letzte Riff.

Biffy Clyro brachten hymnischen Pathos in die Nacht. Songs wie „Black Chandelier“ und „Mountains“ boten große Melodien, getragen von emotionaler Wucht. Ihre Livequalitäten sind bekannt – und sie enttäuschten nicht. Schweiß, Schrammel und Seelenstriptease.

Dann: The Prodigy. Die britischen Big-Beat-Pioniere lieferten eine Tour de Force durch Jahrzehnte elektronischer Eskalation. „Firestarter“, „Breathe“, „Voodoo People“ – es war eine Zeitreise mit Bassdruck und Strobo-Gewitter. Liam Howlett und Maxim Reality  ließen die Bühne brennen. Die Menge? Im Ausnahmezustand und genau so muss das.

Olli Schulz rundete den Abend mit seinem charismatischen Set ab. Zwischen Songs und Stand-up-Einlagen, zwischen Melancholie und Ironie bewies er erneut, warum er Kultstatus genießt.

Bring Me The Horizon übernahmen als letzter Act des Tages – mit epischem Bombast zwischen Metalcore, Pop, Electronica und Dystopie. Eine Show wie ein Endzeitfilm. Sänger Oli Sykes agierte wie ein Zeremonienmeister zwischen Weltschmerz und Welteroberung.

Zum Abschluss: Tocotronic. „Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit“ – 2025 vielleicht doch? Ihr Auftritt war ein Rückblick auf Indie-Diskurse, ein poetischer Gegenpol zur vorherigen Klanggewalt.

Tag 2 – Samstag, 07.06.2025

Genregrenzen? Nicht unser Problem!

Den Auftakt machte die junge britische Band The Defects. Ihr Sound – eine Mischung aus Postpunk, Hardcore und Melodik – weckte früh am Tag erste Circle Pits. „Modern Error“ als Titeltrack ihres Albums war gleichzeitig ein Statement.

Danach: Me First and the Gimme Gimmes – die Coverband mit Punk-Charme. Von Abba bis Cat Stevens wurde alles verwurstet, was je auf einem Mixtape landete. Besonderes Schmankerl: Bassist CJ Ramone – ein echtes Stück Punkgeschichte.

Auf der Orbit Stage tobte sich Evil Jared Hasselhoff (Bloodhound Gang) aus – ein Set zwischen Wahnsinn und Wahnsinniger.

Dann: Kraftklub. Der Schriftzug, der in der Nacht an einem Baukran über dem Gelände aufgehngt wurde, war mehr als ein Hinweis. Die Chemnitzer stürmten eine improvisierte Bühne und spielten ein kurzes, aber gefeiertes Set. Guerilla-Gig mit Gänsehautgarantie.

Spiritbox wurde zum Soundtrack des Unheimlichen. Courtney LaPlante changierte zwischen Sirene und Dämonin, zwischen Engelsstimme und Inferno. Metal kann hypnotisieren – Spiritbox hat es bewiesen.

Bullet For My Valentine lieferten ein routiniertes, aber solides Set. Pyro, Riffs, Emotion – ein klassisches Festivalbrett.

Kontra K brachte Deutschrap mit Pathos und Punchlines. Martialisch, aber mitreißend. Zwischen Motivationsmantra und Straßenpoesie erkämpfte er sich den Respekt des Publikums.

Slipknot schließlich waren der Höhepunkt des Abends – maskierter Wahnsinn, musikalischer Exorzismus. Der einsetzende Regen verstärkte die Düsternis. Wer sich nicht ins Zelt rettete, wurde mit einer epischen Soundwand belohnt.

Tag 3 – Sonntag, 08.06.2025:

Kein Ausklang, sondern ein FinaleTrotz Regen in der Nacht und matschiger Campingplätze: Der Sonntag war alles andere als ein Abklang. Er war ein Statement.

Dead Poet Society eröffneten mit düsterem Alternative-Rock. Zwischen Muse und QOTSA positioniert, zelebrierten sie emotionale Dichte und musikalische Eleganz. Songs wie „.intoodeep.“ bohrten sich ins Hirn.

The Warning – drei Schwestern, ein Powertrio. Ihr Set war druckvoll, präzise, überwältigend. Besonders „Choke“ und „Evolve“ katapultierten die Utopia Stage in Ekstase. Ihr junges Alter steht in Kontrast zu ihrer Souveränität – ein echtes Highlight.

Idles- Noise-Punk trifft Sozialkritik. Sänger Joe Talbot ist weniger Frontmann als Prediger. Songs wie „Danny Nedelko“ und „Never Fight A Man With A Perm“ wurden zu musikalischen Manifesten. Körperakzeptanz, Antikapitalismus, Liebe – mit Wut und Würde vorgetragen.

Die Beatsteaks standen als nächstes auf dem Plan – und rissen alles nieder. Hymnen wie „Hand In Hand“ oder „Hello Joe“ sorgten für kollektive Glückseligkeit. Arnim war wie immer Dirigent und Duracell-Hase in Personalunion.

Deine Cousine überzeugte mit feministischer Power und rotzfrecher Poprock-Attitüde. Ina Bredehorn wirkte, als hätte sie Espresso im Blut – wach, wild, wunderbar. „Bielefeld, Paris oder Madrid“ und „Attacke“ trafen mitten ins Herz und dass Ina eine der Besten ist, das zeigte sie auch im Gespräch mit Soundchecker.Koeln am Vormittag.

Zum Abschluss: KoRn. Die Nu-Metal-Veteranen lieferten ein bretthartes Set, das Vergangenheit und Gegenwart vereinte. „Freak On A Leash“ und „Falling Away From Me“ zeigten: Die Wut ist noch da. Die Bühne – ein apokalyptisches Spektakel. Das Publikum: völlig losgelöst.

Fazit: Rock am Ring 2025 – Ein Festival der Extreme

40 Jahre Rock am Ring – das heißt: vier Jahrzehnte Eskalation, Emotion und Evolution. Die Jubiläumsausgabe zeigte, wie vielfältig und relevant ein Rockfestival heute sein kann. Ob Metal, Rap, Indie oder Electronica – erlaubt ist, was berührt.

Auch das Thema Nachhaltigkeit bekam 2025 mehr Raum: Mehrwegbecher, Green Camping, verbesserte Mobilitätsangebote – kleine Schritte, große Wirkung. Rock am Ring bleibt nicht stehen.

Ausblick: Für 2026 ist Linkin Park als Headliner bestätigt – ein Coup mit Symbolwert. Die Latte liegt hoch. Aber der Ring – der schafft das.

Danke an alle, die das möglich gemacht haben.

Text: Dennis Kresse
Fotos: Harald Rötter

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